MIDEM 2010 – Monetisation and more
Ein Bericht von Günther Wildner
Die MIDEM schrumpft und man muss sich langsam echte Sorgen um die Messe machen, denn wenn der Abwärtstrend – heuer nur mehr 7.000 statt 8.000 Besucher im Jahr 2009 (davor 2008: 10.000) – so weiter geht, wird die Reed Midem als Veranstalter die wichtigste Musikrechtemesse für den Mittelstand wohl sehr bald nicht mehr gewinnbringend ausrichten können.
Schlüsselwort, Überschrift und abzuarbeitendes Zentralthema war heuer „Monetisation“ – der Branche fehlt schlicht und ergreifend das Geld. Ist man nun schon zehn Jahre mit dem dramatisch rückläufigen Tonträgermarkt geschlagen, so hat die Finanzkrise den Kampf ums Überleben noch einmal gehörig verschärft. Ist man beim physischen Business mit dem Davonschwimmen der Felle schon zwangsläufig einverstanden, werden beim digitalen Geschäft alle Anstrengungen gebündelt, die Zukunft visioniert wie selten in einer anderen Branche. Über die (scheinbaren) Rettungsanker wird stundenlang, nicht nur bei der MidemNet und beim Kongress, sondern auch in allen Gängen des Palais de Festival philosophiert und diskutiert. Waren die „Heilsbringer“ vor kurzem nach Klingel- und Ringbacktöne sowie der mobile Download, so sind es nun die Applications (Apps) für alle möglichen mobilen Geräte, im Mittelpunkt: die Apps fürs schicke iPhone. Da ist es egal, dass nur 2% aller angebotenen Application überhaupt auf Geräten installiert werden. Die Apps sollen es richten, ob das nun realistisch ist oder nicht, das „next big thing“ ist benannt.
Das Buhlen um Fans und erhebliche Teile von Promotion und Marketing verlagern sich ins Social Web. Eine Reihe von Workshops widmete sich myspace, twitter, facebook, xing uva. sowie dem Know-how und der Praxis, die man erwerben muss, um ebenda zu reüssieren, Schlagwort: Content is no longer king, context is king. Salopp übersetzt: Art und Qualität der Musik sind gleichgültig, Abnehmer musst du haben. Wer diese bereitstellen und bedienen kann, ist Sieger beim Musikverkaufen. Das stößt nicht nur gestandenen MusikerInnen unangenehm auf. Die Kommunikation scheint wichtiger als der Inhalt, wer hört bei all dem Geplapper noch auf die Musik?
Die MIDEM als Veranstalter hat sich auf jeden Fall ins Zeug gelegt, die Messe noch interessanter und service-orientierter als bisher zu machen, das ist gelungen:
Für die MidemNet war nicht mehr extra zu bezahlen, was sehr positiv aufgenommen wurde.
Das individuelle Consulting der Midem+ war freilich ein Bezahlservice.
Der Rest war jedoch im Eintrittspreis inkludiert:
+ Die MidemNet Academy bot Trainings- und Workshops speziell für die digitale Musikwelt.
+ Das MidemNet Lab wiederum präsentierte die von einer Jury gewählten innovativsten Businesses/Business Models und bot Matchmaking Sessions mit diesen Firmen an – hier gab es wirklich Neues zu entdecken
Das Konzertprogramm der MIDEM war zusehends ausgedünnt. Die Konzerte, die es allerdings gab, waren zumeist von hoher Qualität. Entdeckungen: Ein-Mann-Orchester-Gitarrist-Singwriter Newton Faulkner (UK) und der unglaubliche Crowd Lu (Taiwan).
Wie gut also, dass Siggi Loch (Jazzlabel ACT) sein 50-jähriges Businessjubiläum feierte und Klaus Doldingers Passport eine Jazzrock-Geschichtslektion der 70er zur Gratulation erteilten. Dann folgte noch die ACT-All Star Band rund um Nils Landgren, der gesanglich und mit einem Textaussetzer sympathisch berückte. Wie sich Michael Wollny (p) und Nguyen Le (g) über „Fragil“ von Sting und eigenes Material drüberließen, das war absolut hochklassig. Wolfgang Hafners Becken-Streicheln und Solo-Begleitungen sowieso.
Aus österreichischer Sicht
Die Präsentation der Austrian Music Box war äußerst gelungen. Valerie Sajdik wärmte mit französischen Pop-Chansons gekonnt und sympathisch die Zuhörerschaft auf und „Tanz! Baby“ verpflanzten deutsche Schlagertexte mit dem nötigen Augenzwinkern in die Disko. Parov Stelar elektrisierten abschließend mit gefälligen Tanzbeats und ekstatischem Altsaxophon den kleinen Saal im Hotel Martinez, ausgesucht und virtuos die von der Designcompany Strukt GmbH dazu servierten Visuals. Da ging die Austrian Music Box (5 CDs mit ausgesuchter aktueller Musik aus Österreich aller Genres) weg wie die warmen Semmeln.
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